Neuentwicklung an der Amsinckstraße 45, Hamburg

Städtebaulich-hochbauliches Workshopverfahren

Standort: Amsinckstraße 45, Hamburg
Auslober: AEIOU 102. GmbH
Größe: ~20.000 m² BGF
Nutzung: Hotel, Büro, Wohnen
Fachplaner: bloomimages

Die Geometrie des Ortes

Geschichte des Stadtraumes

Mitte des 19. Jahrhunderts entsteht im Hamburger Stadtteil Hammerbook auf dem orthogonalen Netz aus Straßen und Kanälen nach den Plänen von William Lindley eine dichte, städtische Blockrandbebauung.

1943 zerstört die Operation Gomorra diese zu überwiegendem Teil bis auf wenige, bis zum heutigen Tage verbliebene Fragmente.

Ein weiterer, fast ebenso gravierender Eingriff in die Morphologie des Ortes stellt die Umverlegung der Amsinckstraße Anfang der 1960er Jahre dar. Diese folgt fortan sowohl in ihrer Breite als auch in ihrem geschwungenen Verlauf den Maximen der „autogerechten Stadt“ und damit den Mechanismen der totalen Automobilität.

Der Stadtraum wird hier zum Zeittunnel.

Durch diesen neuen Verlauf der Amsinckstraße wird der ehemalige Halbblock des heutigen Grundstücks Nr. 45 zwischen Straße und Kanal um nahezu die Hälfte beschnitten und ist nun kaum noch als Teil der ursprünglichen städtebaulichen Struktur erkennbar.

In den Jahrzehnten danach werden auf dem Raster von Lindley einerseits die Kanäle verfüllt und andererseits ein System von orthogonalen Bauten errichtet, deren geringer inhaltlicher Zusammenhang die frühere stadträumliche Qualität vermissen lässt.

Entlang der Amsinckstraße schicken sich neue Bauten an den Raum der geschwungenen Straße zu fassen und nachzuzeichnen. Ein Ansatz, der rückschauend, nur bedingt von Erfolg gekrönt scheint.

 

Stadt und Haus

Der Wunsch, die Zeit zurück zu drehen und an dieser Stelle im Sinne von „Stadtreparatur“ das ursprüngliche Gefüge von Traufkanten und Raumfassung wieder herzustellen scheint verständlich, jedoch angesichts der starken Beschneidung des Blockes wenig erfolgversprechend.

Das vorliegende Bebauungskonzept für das Grundstück schöpft seine Kraft daraus die Orthogonalität des „Teppichs“ von Lindley thematisch aufzunehmen.

Durch Staffelung sowohl in der Tiefe als auch in der Höhe, bei einer gleichzeitig klar ablesbaren Modularität, entsteht ein Baukörper, der die Summe der stadträumlichen Vorgaben erfüllt ohne es dabei an Selbstbewusstsein und Eigenständigkeit missen zu lassen. Ähnlich wie es dem amerikanischen Architekt und Illustrator Hugh Ferriss in seinem berühmten Buch „The Metropolis of Tomorrow“ 1929, der „mathematisch gefassten Abtreppungsvorschrift der New Yorker Bauordnung von 1916“ gelungen ist.

Die Lage des Grundstücks an einer Innenkurve stellt insbesondere für die Erkennbarkeit der Eingänge eine besondere Herausforderung dar.
Besondere Bedeutung kommt daher der Wahrnehmung des Volumens über die kurzen Seiten und in der Vorbeifahrt zu: Durch das Vor- und Rückstaffeln ändert sich die Silhouette des Hauses, wenn man sich auf der Amsinckstraße bewegt, oder aber auch über die Nordkanalbrücke fahrend, die Stadt verlässt und in die Gegenrichtung blickt.

Dabei oszilliert die Wahrnehmung zwischen Volumina, die unterschiedlich stark extrudiert, sich aneinander in die Höhe hangeln und einer Figur, welches sich aus einer Tiefenstaffelung von Scheiben unterschiedlicher Umrissformen zusammensetzt.

Die deutliche Ausrichtung des Hauses wird durch die Plastizität der Fassade unterstützt und verstärkt die Erfahrung, dass man sich in einem Bogen an ihm vorbeibewegt.
Auf Basis der Vorgaben des B-Planes erscheint das Haus in seiner Längsausdehnung latent symmetrisch. Gleichzeitig ergibt sich jedoch im Süden die Ausbildung eines schlanken Kopfes, der dem herannahenden Passanten eine nahezu gleiche Wahl zwischen der vermeintlichen „Rückseite“ am Sonninkanal und der Vorderseite an der Amsinckstraße lässt.

Die perspektivische Verkürzung wirkt wie eine Kompression und bremst die Bewegung des herannahenden Verkehrs ab. Am nördlichen Ende bietet der Baukörper den Anschluss einer möglichen städtebaulichen Komplettierung auf dem Nachbargrundstück. Durch eine Rückstaffelung trägt er zum einen dem Umstand Rechnung, dass dieser Anschluss vielleicht erst in einigen Jahren erfolgt, und somit weiterhin als „offenes Ende“ bestehen bleibt. Andererseits entsteht so eine Zäsur, welche den Übergang zwischen einer zukünftigen straßenbegleitenden Bebauung und dem neuen Hockpunkt thematisiert.

Die Tiefenstaffelung des Baukörpers erzeugt auf selbstverständliche Weise dreieckige Raumtaschen, die es erlauben aus dem reißenden Strom des Straßenverkehrs auszuscheren, um das Haus zu betreten.

 

Fassade

Der Baukörper setzt sich aus klar lesbaren, zweigeschossigen Grundmodulen zusammen, deren vertikale Proportion die Figur des Hauses unterstreichen.
Richtung Südwesten und an räumlich markanten Orten der Fassaden am Kanal bildet die Struktur eine starke Tiefe aus, welche die einzelnen Teilbereiche durch Schattenwirkung betont und Spannung zwischen perspektivischer und frontaler Wahrnehmung erzeugt.

Die Verkleidung in dunkelgrüner Keramik nimmt als Komplementärkontrast den Dialog mit dem orange-braunen Ziegel der alten Schokoladenfabrik auf, welche auf der anderen Seite des Sonninkanals steht.

Die Reflektion auf der glasierten Keramik wird durch den Einsatz von leichten konkaven und konvexen Formen zur Wirkung gebracht. In der Vorbeifahrt entsteht auf der Oberfläche ein Spiel von Glanz und Spiegelungen, die sich über die Fassade bewegen.
Die Profile und die Brüstungen der zweigeschossigen Fensterfassade sind in matten, grafitfarbenen Oberflächen gehalten. Die zweigeschossigen Fassadenmodule sind einschließlich der keramischen Lisenen als vorgefertigte Elementfassade konzipiert.

 

Tragwerk

Das regelhafte Grundmodul des Hauses erlaubt einen hohen Vorfertigungsgrad sowohl im Tragwerk als auch in der Fassade. Hybride Konstruktionen sind dabei gut vorstellbar.

Außenräume und Dachterrassen

Der gestaffelte Baukörper bietet ein System von intensiv begrünten Dachterrassen für die angrenzenden Nutzungen.

In der Erdgeschosszone ergibt die Zurückstaffelung der Bauflucht taschenartige Räume, die Vorzonen zu den verschiedenen Hauseingängen bilden.

Entlang des Kanals entsteht ein vom Lärm der Straße geschützter und gärtnerisch behandelter Außenraum, der ausreichend Platz für Spielflächen bietet. Von hier aus werden die Wohnungen erschlossen. Bis auf Anlieferungen, in besonderen Fällen, ist dieser Raum Fußgängern und Radfahrer vorbehalten.

 

Renderings: bloomimages