Innovative Grundrisse für den geförderten Wohnungsbau, Hamburg
Ideenwettbewerb, 1. Preis
Standort: Hamburg
Auftraggeberin: Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen Hamburg
Nutzung: geförderter Wohnungsbau
Rahmenbedingungen
Derzeit erleben wir einen globalen Transformationsprozess in fast allen Bereichen des sozialen, technologischen und wirtschaftlichen Zusammenlebens. Die Umstellung auf eine klimaneutrale Energieversorgung, der Umbruch in der Arbeitswelt durch die Digitalisierung, das geschärfte Bewusstsein für einen nachhaltigeren Umgang mit materiellen Ressourcen, neue Formen des kulturellen und familiären Zusammenlebens, der demographische Wandel sind nur einige dieser mächtigen Veränderungen. Jede einzelne beeinflusst die Anforderungen an bestehenden und neuen Wohnraum jedoch bereits fundamental. Lange praktizierte und als Standard vereinbarte Prinzipien erweisen sich ob des Erneuerungsdrucks als nicht mehr zielführend.
Diese Dynamik führt uns zwei Dinge vor Augen:
- Starre und monofunktional ausgerichtete Konstruktions- und Nutzungsstrukturen verlieren schneller Ihre Gebrauchsfähigkeit und führen zum Abbruch von Gebäuden.
- Die Innovationsrichtung ist so unvorhersagbar wie noch nie: Die Beherbergung des Unbekannten ist ein wichtiges Gebot unserer Zeit.
Durch die Digitalisierung der Arbeit und des Handels verlieren wir traditionelle gesellschaftliche Kontakträume in denen bislang soziale Interaktion und Durchmischung stattfanden. Innovative Wohnformen müssen dem Rechnung tragen und stehen in der Verantwortung nun zumindest Anteile dieser gesellschaftlichen Kontakträume zu übernehmen. Die Durchmischung unterschiedlicher Wohnformen und die Bereitstellung eines breiten Angebotes an Interaktions- und Begegnungsflächen ist hierfür zentral.
Innovation & Nachhaltigkeit – Urbanes Haus
Ein zukunftsfähiger und nachhaltiger Wohnungsbau ist ein urbanes Haus, das sich durch eine hohe Flexibilität in der Nutzung und im Zuschnitt seiner Flächen auszeichnet. Gebäude zu erstellen, die ausschließlich Wohnen ermöglichen, kann nicht nachhaltig sein. Ein urbanes Haus muss daher Wohnen, Arbeiten sowie kommerzielle und soziale Einrichtungen gleichzeitig und zukünftig erlauben.
Um die Lebensdauer von Gebäudestrukturen zu verlängern müssen Häuser vor allem leicht umbaubar sein, um sich möglichst gut an uns noch nicht bekannte Anforderungen anpassen zu können. Diese Umbaubarkeit ist in das vorliegende Konzept ‚einprogrammiert‘.
Tragwerk & Ausbaukonzept
Der Entwurf sieht einen Skelettbau mit Flachdecken als resiliente Kernstruktur vor. Das Erdgeschoss wird mit einer Geschosshöhe von 4.50m ausgebildet, um auch die Integration von kommerziellen und sozialen Einrichtungen zu ermöglichen. Die Geschosshöhen der Regelgeschosse betragen 3.50m um eine einfache Integration anderer Nutzungen wie z.B. von Büroflächen zu ermöglichen. Flachdecken erlauben eine einfache Nachinstallation und freie Grundrisseinteilung auch im Umbaufall. Der Skelettbau kann in Holz-, Holz-Hybrid- oder Stahlbetonbauweise erfolgen. Der höhere GWP-Wert einer Stahlbetonkonstruktion mit optimierter Betonrezeptur kann vor dem Hintergrund einer höheren Dauerhaftigkeit und Belastbarkeit der Primärkonstruktion leichter in Kauf genommen werden.
Der Ausbau und die Fassadenkonstruktion folgen einer strikten Null-CO2-Strategie. In Anerkennung zukünftiger Umbauten sind alle weiteren Bauteile rezyklierbar und ohne signifikanten GWP-Wert produziert. Schraubbare Verbindungen und biologisch abbaubare Baustoffe werden in einem ‚leichten Ausbau‘ in den Skelettbau eingesetzt. Zukünftige Umbauten können einfach auf innovative Ausbaumaterialien und neue Technologien zugreifen
Adresse & Erschließung
Das Haus besitzt seine Adresse an der nördlichen Gebäudeaußenecke zu den umgebenden Straßen des Quartiers. Barrierefrei gelangen alle Bewohnenden in eine großzügige Lobby mit gemeinschaftlichen Sondernutzungen (Co-Working, Paketstation, Kinderwagenabstellraum, etc.). Bereits ab der Haustür erhalten die Nutzenden einen Durchblick in den gemeinschaftlichen Garten auf der Südseite. Hier finden sich auch eine Gemeinschaftsküche und Terrasse.
Die Vertikalerschließung des Hauses erfolgt über ein innenliegendes, zentral angeordnetes Treppenhaus. Der Erschließungskern ist so positioniert, dass er umlaufend ausreichend Platz für mögliche Erschließungsflure bietet. Auch wenn der geplante Erstausbau des Hauses keinen Mittelflur besitzt, so ist dieser dennoch in Zukunft etagenweise umsetzbar. In der Ausgestaltung des Treppenhauses wurde darauf geachtet, dass ein Außenbezug nach Süden mit ausreichend Tageslicht jederzeit ermöglicht ist und keine beengten Flursituationen entstehen. Beiläufige Kommunikation und eine hohe Aufenthaltsqualität sollen die Interaktion zwischen den Bewohnenden in allen Allgemeinbereichen fördern.
Auf der Südseite schließt sich ein großzügiger Laubengang an. Dieser ermöglicht eine flexible Erschließung der Wohnungen und bildet gleichzeitig einen halböffentlichen Außenraum für die anschließenden Wohnkonzepte. Die auskömmliche Breite erlaubt eine freie Begrünung und flexible Aktivierung durch die Bewohnenden.
Zwei Haussegmente
Der mittig liegende Erschließungskern zoniert das Haus in jeder Etage in zwei Segmente. Diese Segmente können völlig unabhängig voneinander und unterschiedlich ausgebaut werden. Unterschiedliche Wohn- und Lebensformen kommen auf diese Weise in direkten Kontakt, eine heterogene und lebhafte Gemeinschaft kann entstehen. Die Segmente können über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes ebenso zeitlich unabhängig voneinander umgebaut werden.
Offenes Erdgeschoss
Der öffentliche Straßenraum der Quartiere gewinnt zunehmend an Bedeutung (Läden, Kontore, Soziale Einrichtungen). Um den wichtigen Beitrag zum öffentlichen Leben des Quartiers leisten zu können, sind die Erdgeschossflächen zum Straßenraum bodengleich ausgebildet. Die Haussegmente können unabhängig voneinander für solche Nutzungen aktiviert werden.
Im Falle einer Wohnnutzung im EG, wird der Rohboden um einen Hohlraumboden ergänzt, sodass die Wohnnutzungsebene für eine auskömmliche Privatsphäre ca. 50cm über dem Gehsteig liegt.
Durchwohnen & Außenbezug
Die Wohnungsgrundrisse erstrecken sich über die gesamte Gebäudetiefe und schaffen somit auch bei kleinen Wohnungsgrößen Weite und Licht. Auf gefangene Flure innerhalb der Wohnungen wird verzichtet. Durch einen leichten Versatz im Wandraster, werden beidseitig belichtete Haupträume differenziert zoniert und können von den Bewohnenden entsprechend frei interpretiert werden.
Aufgrund des konsequent leichten Ausbaus ohne tragende Innenwände können Räume einfach unterschiedlichen Wohnungen zugeordnet werden.
Alle Wohnungen erhalten einen Freisitz entweder als separater Balkon an der Westfassade oder aber auf dem gemeinschaftlichen Laubengang.
Basic-Wohnungen
Als solche können 1 – 5 Personen Wohnungen zur Verfügung gestellt werden. Die Wohnungen basieren auf einem Hauptwohnraum, der von zwei Seiten belichtet ist und somit viel Außenkontakt ermöglicht. Um eine zentral positionierte Küche, können die Bewohner diesen Raum individuell zonieren und gestalten.
Bis zu vier weitere Räume lassen sich mit unterschiedlichen Nutzungen dazu schalten.
Clusterwohnungen
Die Clusterwohnungen verfügen über einen zentralen Gemeinschaftsraum, der neben dem Eingangsbereich auch alle weiteren gemeinschaftlichen Nutzungen beinhaltet.
Die Bewohner erhalten großzügige Zimmer mit einem direkt angeschlossenen Bad und somit einen hochwertigen privaten Rückzugsort.
Haustechnik
Um eine Umbaubarkeit auch etagen- und abschnittsweise zu ermöglichen, sind die nötigen Vertikalschächte regelmäßig und außerhalb der möglichen Flurzonen angeordnet. Die Sanitärbereiche liegen im Gebäudeinneren, um die Außenfassaden bestmöglich für die Hauptnutzungen zu aktivieren.